Die Bedeutung der Heuschrecken und Schnabelkerfe als Indikatoren verschiedener Graslandtypen. (Ein Beitrag zur Agrarökologie).

Autor/innen

  • Henri Marchand

DOI:

https://doi.org/10.21248/contrib.entomol.3.1-2.116-162

Abstract

Heuschrecken, Wanzen und Zikaden verschiedener, in einem engen Gebiet gelegener Trockenrasen- und Wiesentypen wurden qualitativ und quantitativ untersucht. Zu diesem Zweck kam die von Kontkanen erprobte Netzfangmethode mit abknüpfbaren Beuteln zur Anwendung. Sie gestattete, jeweils auf zwölf Graslandflächen verhältnismäßig gleichzeitig vergleichbare Proben zu entnehmen. Von den zu untersuchenden Ordnungen werden auf diese Weise die Zikaden besonders gut erfaßt. Das Untersuchungsgebiet war die Umgebung von Leese-Stolzenau an der Weser. Von den dort vorkommenden Grünlandtypen wurden untersucht: Silbergrasfluren, Glatthaferwiesen (drei trockene und eine feuchtere nitrophile Variante), Bentgraswiesen (zwei trockene und eine vorübergehend sehr nasse), Sumpfdotterblumenwiesen und eine Kleinseggenwiese. Schon aus dem zahlenmäßigen und prozentualen Vergleich der einzelnen Insektengruppen der verschiedenen Wiesen und Trockenrasen lassen sich verwandte Typen erkennen, in denen gemeinsame Züge herrschen und höchstens qualitative Unterschiede bestehen. Nach den jahreszeitlichen Wandlungen in der Heuschrecken-, Wanzen- und Zikadenfauna sind fünf verschiedene Aspekte zu erkennen, die aber bei den einzelnen Wiesentypen zeitlich differieren. In den Frühjahrs- und Frühsommermonaten ist die Zikadenfauna der trockeneren Graslandbiotope derjenigen der feuchten und nassen in der Entwicklung voraus. Zur Erkennung der Umweltgebundenheit erweist es sich in der terrestrischen Tierökologie als durchaus zweckmäßig, die Untersuchungen auf die Pflanzengesellschaften zu beziehen und dabei Angehörige ähnlich reagierender Tiergruppen zu vergleichen, die innerhalb ihres Gemeinschaftsgefüges Indikationswert besitzen. Eine Darstellung auf Grund der Differenzialarten (Tabelle 10-12) läßt Verschiedenheit und Gemeinsamkeit der Graslandtypen hervortreten. Zikaden behalten selbst auf kleinstem Areal ihre spezifische Umweltreaktion bei (pflanzensoziologischer Garten Hannover!) und bestätigen die auf großen Bestandesflächen gewonnenen Ergebnisse. Entsprechend ihren Ansprüchen an das Mikroklima haben die einzelnen Arten eine verschiedene Reichweite innerhalb der untersuchten Gesellschaften. Die Durchsetzung der Artenkombination der Silbergrasfluren mit Wiesenarten ist nur gering, während Fett- und Feuchtwiesen im Artenbestand sehr viel Gemeinsames haben. Als zwei gesonderte Biotoptypen mit ganz andersartigen Biozönosen werden daher einerseits Trockenrasen, andererseits Flachmoore und Kulturwiesen angesehen. Eine Übereinstimmung mit den einzelnen Pflanzenassoziationen besteht nicht, trifft aber für den Ordnungsbegriff von Knapp (1948) zu. Es werden zahlreiche Beispiele verwandter, strukturell kaum zu trennender Arten gegeben, die sich ökologisch ganz verschieden verhalten und Vikarianten unterschiedlicher Graslandtypen bilden. Sie machen wahrscheinlich, daß der Artentstehung aus ökologischen Rassen eine größere Bedeutung zukommt, als gewöhnlich angenommen wird. Viele früher als eurytop angesehene Arten erwiesen sich bei Trennung nach der verschiedenen Ausbildung der männlichen Genitalorgane als in Wirklichkeit stenotop auftretende Spezies oder Rassen. Aus der Tatsache, daß wir aus dem Vorkommen bestimmter Heuschrecken-, Zikaden und Wanzensynusien Kenntnisse über die Standortverhältnisse erlangen, ergibt sich ein Anwendungsgebiet agrarökologischer Forschung (Indikatorwert bei Schädlingsbefall und phänologische Anhaltspunkte). Trotz der für manche Gruppen hohen Zahlenverhältnisse traten keine Schädigungen in den Wiesenbeständen auf. Einige der Arten können aber unter günstigen klimatischen Bedingungen in weniger stabilen Lebensräumen (Getreidefelder) zur Massenvermehrung gelangen. Dies sind unter den Krautschichtbewohnern solche, die mesophile Wiesen charakterisieren (z.B. Chorthippus longicornis, Macrosteies laevis). Von einer chemischen Bekämpfung der Insekten auf der Krautschicht der Wiesen muß aus ökologischen Gründen abgeraten werden.

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Veröffentlicht

1953-04-30

Zitationsvorschlag

Marchand, H. 1953: Die Bedeutung der Heuschrecken und Schnabelkerfe als Indikatoren verschiedener Graslandtypen. (Ein Beitrag zur Agrarökologie). - Beiträge Zur Entomologie = Contributions to Entomology 3(1-2): 116–162 - doi: 10.21248/contrib.entomol.3.1-2.116-162

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