Die Kiefernblattwespen Weißrusslands und ihre Parasiten (Hymenoptera: Diprionidae).

Autor/innen

  • Boris W. Rywkin

DOI:

https://doi.org/10.21248/contrib.entomol.7.5-6.457-482

Abstract

1. Bei zwei Diprion-Arten, Diprion pini und Neodiprion sertifer, kommt es in den Kiefernwaldungen Weißrußlands häufiger zu Gradationen als bei den übrigen exophytischen Waldinsekten der Ordnungen Hymenoptera und Lepidoptera. Das gilt besonders für Neodiprion sertifer.- 2. Die entscheidende Rolle bei der Entstehung der Diprion-Gradationen spielen die klimatischen Verhältnisse. Der Rückgang der Kalamität dagegen steht hauptsächlich in Verbindung mit dem Einfluß von biotischen Faktoren (Parasiten, Krankheiten und Räubern), die mit allen anderen Umweltbedingungen zusammenhängend eine Einheit bilden. - 3. Im Durchschnitt beträgt die Eizahl pro Kiefernnadel bei Neodiprion sertifer 6-7, wobei in ungefähr gleichem Maße jeweils nur eine Nadel oder beide Nadeln eines Triebes belegt werden. Die Durchschnittszahl der zu einem Eigelege gehörenden Nadeln beträgt 17. Bei Diprion pini beträgt die Durchschnittszahl der Eier pro Nadel 12-13, wobei stets nur eine Nadel des Triebes der gemeinen Kiefer besiedelt wird; die Durchschnittszahl der zu einem Eigelege gehörenden Nadeln beträgt 11. Die Eiproduktion bei Diprion pini ist etwas höher als die bei Neodiprion sertifer. - 4. Die Diprioninen besitzen Endoparasiten und Ectoparasiten. Zu den ersteren gehören die Eiparasiten und die Larvenparasiten in den Baumkronen, zu den letzteren entweder solche Arten, die ihre Eier an die Larven des letzten Stadiums (wenn diese die Nahrungsaufnahme schon beendet haben und unmittelbar vor dem Einspinnen stehen) ablegen wie die Arten der Gattung Exenterus oder solche Arten, die ihre Eier in den Kokons zwischen Larvenoberfläche und Kokonwand unterbringen. Die Ectoparasiten paralysieren den Wirt auverschiedene Weise. Die Arten, die ihre Eier in die Kokons ablegen, paralysieren die Eonymphe durch den Kokon hindurch, während bei den Arten der Gattung Exenterus die an der Eonymphe sitzende Parasitenlarve des i. Stadiums mit ihren langen, scharfen Borsten oder ihren stark gebogenen Mandibeln die Eonymphe paralysiert. - 5. Der Ilaupteiparasit der Kiefernblattwespen ist Achrysocharella ruforum (Krauße). Diese Art hat eine doppelte Generation und ihre Entwicklungsperiode fällt aufs genaueste mit der von Diprion pini zusammen. Im Jahre des Rückganges der D. pini-Gradation waren die Eigelege der zweiten Generation meistens zu 100% parasitiert. Die Entwicklungsperiode dieses Parasiten fällt mit derjenigen von Neodiprion sertifer nicht ganz zusammen, wodurch im Jahre des Zusammenbruchs die Eigelege von Neodiprion sertifer viel weniger als zu 100% von A. ruforum parasitiert waren. - 6. Die Larvenparasiten der Diprioninen in den Baumkronen sind sowohl Schlupfwespen als auch Tachinen. Die Schlupfwespen gehören zu den spezifischen Parasiten dieser Diprioninen, während von den Tachinen nur Sturmia inconspicua (Meig.) ein ausgesprochener Diprion-Spezialist ist. Alle Larvenparasiten der Diprioninen haben doppelte Generation, mit Ausnahme der Schlupfwespe Torocampus eques (Htg.). Zum Unterschied von den übrigen Larvenparasiten hat diese Art die gleiche Entwicklungsdauer wie Neodiprion sertifer. Die bivoltine polyphage Tachine Sturmia inconspicua ist in den Befallsgebieten von Diprion pini reichlich vertreten, in den von Neodiprion sertifer hingegen nur dort, wo es die Wirte ihrer zweiten Generation gibt. Der Hauptwirt der zweiten Generation dieser Tachine ist Dendrolimus pini (L.).- 7. Die Arten der Gattung Exenterus haben eine zeitlich bestimmte Eiablage- und Schwärmperiode. Ihr Schwärmen fällt hauptsächlich in die Zeit, in der die Larven der Diprioninen ihr letztes Stadium erreichen. Der bivoltine Exenterus marginatorius (F.) ist meistens in Befallsgebieten von Diprion pini verbreitet. Exenterus abruptorius (Thunb.) besitzt jedoch eine einfache Generation und ist am häufigsten in den Befallsgebieten von Neodiprion sertifer anzutreffen. Er schlüpft nie nach der Mitte des Sommers, sondern nur im Frühjahr oder am Anfang des Sommers. - 8. Die Parasitierung der Eonymphen durch Dahlbominus fuscipennis (Zett.), der seine Eier in die Kokons der Blattwespe ablegt, erfolgt nicht nur während des massenhaften Einspinnens der Wirtslarven, sondern auf Grund der überliegenden Diprion-Populationen auch den ganzen Sommer über. Unter den Verhältnissen des Südens Weißrußlands hatte er im Jahre 1938 vier Generationen. Bei 19°C und bei 65-75% Luftfeuchtigkeit wird die Entwicklung in 25 Tagen abgeschlossen. Das stärkste Schwärmen dieses Parasiten erfolgt in der ersten Hälfte des Augusts. - 9. Am häufigsten werden die Kokons durch Dahlbominus fuscipennis parasitiert, wenn sie sich in den oberen Schichten der Waldstreu befinden. - 10. Die Eonymphenparasiten der Cryptinae haben keine genau bestimmte Schwärmperiode. In den Befallsgebieten war im Waldbetrieb Slutzk im Jahre 1932 Gambrus adustus (Grav.) der Hauptparasit (Geschlechterverhältnis 638 Weibchen: 600 Männchen), im Jahre 1949 jedoch in anderen Gegenden Weißrußlands Microcryptus basizionius (Grav.). Die erstere Art parasitiert eine größere Anzahl von Wirten und ist am häufigsten in den ziemlich feuchten Wäldern mit verhältnismäßig reicher Bodenflora zu finden. In allen Fällen ist Dahlbominus fuscipennis der stetigste und verbreitetste Eonymphenparasit der Kiefernblattwespen. Das Geschlechterverhältnis in den Befallsgebieten von Neodiprion sertifer betrug im Jahre 1949 79,5% Weibchen und 20,5% Männchen. In den Jahren der Übervermehrung überwintert Neodiprion sertifer im Eistadium in den Nadeln der Kiefernkronen oder als Eonymphe im Kokon in der Waldstreu. Die überliegenden Populationen dieser Art sind stets in den Befallsgebieten vorhanden. Das Schwärmen und die Eiablage erfolgen in Weißrußland Ende August-Anfang September. - 11. Die Reduktion der Übervermehrung von Neodiprion sertifer verläuft folgendermaßen. Das Eruptionsstadium dauert nur über eine Generation an. Der Schadfraß dauert im Süden Weißrußlands nur von etwa 15. Mai bis 20. Juni. Ende Juni begeben sie sich in die Waldstreu und spinnen sich ein. Vor dem Schwärmen der Blattwespe (Ende August-Anfang September) werden die Eonymphen in der Waldstreu von Parasiten, zum Teil auch von Krankheiten, zu 70-75% heimgesucht (im Forstrevier Worobjowo im Jahre 1931 zu 73,6%). Nur ungefähr aus der Hälfte der gesunden Eonymphen, d.h. aus 1/8 der Gesamtzahl, schlüpfen im August-September des ersten Jahres des Eruptionsstadiums die Blattwespen aus. Die Bevölkerungsdichte der Eigelege an den Kiefern kann im August-September noch beträchtlich sein (bis 2000 und mehr Eier an einem Baum). Die Schädlichkeitsperiode der Larven, die im Mai des zweiten Jahres des Eruptionsstadiums schlüpfen, dauert jedoch nicht lange. Schon nach 15-20 Tagen erfolgt ihr Massensterben durch Virus-Krankheiten. Nur einzelne Larven vollenden ihre Entwicklung und spinnen sich ein. Währenddessen verringert sich im Winter stark die Anzahl der überliegenden Eonymphen in der Waldstreu infolge der Verletzung und Vertilgung durch Nagetiere. Andererseits werden die am Leben gebliebenen überliegenden Eonymphen schon ab Frühjahr von Parasiten besetzt. Infolge des Einflusses aller dieser Faktoren ist das Schlüpfen der Blattwespen im August-September des zweiten Jahres des Eruptionsstadiums ungefähr um das Zehnfache geringer als im August-September des ersten Jahres des Eruptionsstadiums. Die nicht sehr zahlreichen im August September des zweiten Jahres des Eruptionsstadiums abgelegten Eigelege werden zu 50 bis 70% von Eiparasiten besetzt. Eine Anzahl der Schädlinge bleibt jedoch selbst im Jahre des Zusammenbruchs der Gradation erhalten. Unter günstigen Verhältnissen kann dieser Rest der Schädlinge nach einigen Jahren zu einer neuen Gradation führen. - 12. Die Übervermehrung von Diprion pini und ihr Zusammenbruch verlief im Süden Weißrußlands in den Jahren 1937-1938 folgendermaßen: Eine allmähliche Vergrößerung der Anzahl von Diprion pini begann im außerordentlich heißen und trockenen Sommer 1936. Auch die Witterungsverhältnisse in den Jahren 1936-1937 zeichneten sich durch starke Abweichungen von den Jahrestemperaturen dieser Gegend aus (der lange warme Herbst, ein schneearmer und sehr kalter Januar, die schneereiche zweite Winterhälfte). Diese Verhältnisse (als die Eonymphen in der Waldstreu bei bedeutender Kälte unter ganz dünner oder gar keiner Schneedecke lagen, sich zuvor und danach aber in günstigen Ruheverhältnissen befanden) verhinderten das Überliegen der Eonymphen und ließen im Frühjahr 1937 aus allen Kokons die Blattwespen schlüpfen. Infolge der für die Entwicklung günstigen Witterungsverhältnisse fand keine Diapause der Eonymphen über vier Generationen statt (die Eonymphen der ersten Generation in den Nadeln der Kiefernkronen überliegen nie). Infolgedessen erfolgte im August bis September 1937 eine Kalamität mit beträchtlichem Nadelfraß, die nur über die zweite (sommerliche) Generation des Jahres 1937 dauerte. Im Jahre 1938 verringerte sich die Anzahl von Diprion pini in allen Stadien sehr stark unter fast völliger Abwesenheit der Larven. Schon Ende September starben viele Larven an Krankheiten; die Anzahl der sich einspinnenden Exemplare war jedoch noch beträchtlich. Die Witterungsverhältnisse im Winter 1937/1938 unterschieden sich stark von denen im Winter 1936/1937; vor allern lagen am Anfang des Winters die Kokons nicht frei in der Kälte. Die überwiegende Mehrzahl der Eonymphen trat in die Diapause über. Im Mai 1938 schlüpften nur 1,9% der Gesamtzahl, im August viermal mehr aus. Aber innerhalb der drei Sommermonate stieg die Parasitierung der Eonymphen um das Zehnfache, der Krankheitsbefall um l,5mal, die Anzahl der von Parasiten verlassenen. Kokons um mehr als das Doppelte. Die Eigelege der ersten Generation wurden zu 96,3%, die der zweiten fast zu 100% von Eiparasiten besetzt.

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Veröffentlicht

1957-11-30

Zitationsvorschlag

Rywkin, B. W. 1957: Die Kiefernblattwespen Weißrusslands und ihre Parasiten (Hymenoptera: Diprionidae). - Beiträge Zur Entomologie = Contributions to Entomology 7(5-6): 457–482 - doi: 10.21248/contrib.entomol.7.5-6.457-482

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